
“Der Lärm des Lebens” ist eine gedankliche Reise des Schauspielers Jörg Hartmann (bekannt als Kommissar Faber im Dortmunder Tatort), auf die er uns mal hier hin, mal dorthin mitnimmt, mal in der Zeit zurückschwenkt, an einigen Orten länger verweilt als an anderen und bei der er seine Betrachtungen anstellt, was das Leben mit ihm gemacht hat und wo er beruflich und privat gelandet ist.
Diese Betrachtungen sind gut geschrieben, lassen einen gewissen (Ruhrpott-)Humor nicht vermissen und haben durchaus Unterhaltungswert. Gerade die Einblicke hinsichtlich seiner familiären Wurzeln im Ruhrgebiet (Herdecke) sind sehr interessant, amüsant und haben auch die Substanz, die einigen anderen Passagen dieses Buches leider ein wenig fehlen.
Klappentext: In «Der Lärm des Lebens» erzählt Jörg Hartmann auf hinreißende Weise seine Geschichte und die seiner Eltern und Großeltern. Es ist eine Liebeserklärung an die Kraft der Familie – und an den Ruhrpott. Ob es um die Situation seiner gehörlosen Großeltern im Nationalsozialismus geht, die Lebensklugheit seiner Mutter, die für kurze Zeit eine Pommesbude betrieb, die Demenzerkrankung seines Vaters, der Dreher und leidenschaftlicher Handballer war, die vielen skurrilen Erlebnisse in der Großfamilie oder um Schlüsselbegegnungen, die er als Schauspieler hatte – immer hält Hartmann die Balance zwischen Tragik und Komik.
Er hat dabei einen kraftvollen Erzählton – persönlich, berührend, humorvoll. Und fragt: Warum kehren wir immer wieder zu unseren Wurzeln zurück? Es geht Hartmann darum, den Kreislauf des Lebens zu fassen: Eltern und Kinder, Anfang und Ende, Aufbruch und Ankunft, Werden und Vergehen – eben alles, was zum geliebten Lärm des Lebens gehört. Ein weises, geschichtenpralles Buch über Herkunft und Heimat – und den Wunsch, sich davon zu lösen und in die Welt zu ziehen. Eine Éducation sentimentale und, wie nebenbei, eine Mentalitätsgeschichte der Bundesrepublik.

Auszug (Kapitel 1):
Im Westen Berlins, dem Grunewald so nah und doch im Gewimmel der Stadt, gibt es einen Bau, der jünger aussieht, als er ist. Wie ein Schiff liegt er da, mit kühnem, rundem Schwung zur Straße hin. Dieses Schiff war ursprünglich mal ein Kino, es wurde im Krieg beschädigt, verfiel, und was weiß ich, was noch alles mit ihm passierte, bis es letztendlich wachgeküsst wurde von einigen eifrigen Theaterleuten.
Der Lärm des Lebens – Jörg Hartmann
Und seitdem ankert es hier im Hafen des Lehniner Platzes am berühmten Kurfürstendamm, hat gute, mitunter sogar herausragende – ach, was rede ich, legendäre! – , aber auch schwierige Zeiten erlebt und nennt sich bis heute: Schaubühne. Neben diesem Theater gab es mal ein Restaurant, einen Italiener mit Namen Ciao. Und da die Theaterleute das Ciaozu ihrer Kantine, nein, zu ihrem Wohnzimmer auserkoren hatten – sie also, traf man sie nicht im Theater an, mit Si-cherheit dort zu finden waren – , hieß die Schaubühne bei vielen bald nur noch Ciao-Bühne.Das wussten wir damals noch nicht.
Aber wir wussten, die Chancen standen nicht schlecht, die Chefin der Ciao-Bühne im Ciao anzutreffen.Und so war es auch.Wir standen vor den großen Scheiben des Italieners, lug-ten hinein, und es gab keinen Zweifel, das musste sie sein: Andrea Breth. Die berühmte Intendantin und Regisseurin des Hauses. Sie saß da mit einer älteren Dame und einem älteren Herrn.Konnten wir jetzt einfach so rein? Einfach so stören?